Gruppe Hirschenstraße - auf Künstler schießt man nicht!
Man begegnete der Tradition mit einer, gegen jegliche Ehrfurcht gewandten Frechheit. So entgegnete Hjalmar Leander Weiss auf die Frage nach dem Grund seiner in Öl gemalten Schwarz-Rot-Goldenen Phallus-Phantasie, dass er einfach nur malen wolle. Seine Reaktion ist exemplarisch für die Kunstauffassung der 80er Jahre. Die Künstler wollten nicht bewerten; sie untersuchten vielmehr wo man ankam, nachdem etliche Tabus gebrochen waren. Dass sie damit öffentliche Kontroversen provozierten, war ihnen bewusst und doch nicht Handlungsziel. Vielmehr vermittelten sie eine Idee von völlig neu gesteckten Grenzen in dessen Terrain sie sich bereits selbstverständlich bewegten. Behauptungen wurden in die Welt geschleudert, Wahrheitskonstruktionen bewusst vermieden. Vielmehr ging es darum auszuloten, an welcher Stelle die Semiotik zusammenbrach und "Nichts" mehr gesagt wurde.
Dieses Nicht-Verstanden-Werden-Wollen, bei gleichzeitiger radikaler Selbstbestimmung, zieht sich durch die Kunst, Musik, Literatur und Mode der Zeit, die nicht unerheblich von der Punk-Kultur geprägt war. Im Punk machte man auf die fortschreitende Entleerung der modernen Gesellschaft aufmerksam, indem man ihr die eigene Leere und Sinnlosigkeit vor Augen führte. "We belong to the blank generation" {3} wurde in frölicher Hysterie verkündet.
Viele Künstler verwirklichten sich gleichermaßen in (Punk)Musik wie in der bildenden Kunst. Dabei ging es nicht darum, ein Instrument virtuos zu beherrschen, sondern um den schrillen Ausdruck von Befindlichkeit und das gegenseitige Hochputschen zwischen Publikum und Band. Wortschöpfungen und Sprüche spielten hier wie dort eine wichtige Rolle. Das dadaeske Spiel der Sprachzerlegung bis hin zum blanken Schrei wurde wesentliches Gestaltungsmerkmal der Songtexte wie der Texte und Textfetzen, die auf der Leinwand selbst oder als Titel einer Arbeit auftauchten. Der Titel wurde in den 80er Jahren zu einem bedeutungserweiternden Bestandteil der Arbeit. Oftmals provoziert er auf sprachlicher Ebene mit dem Dargestellten unvereinbare Assoziationen.
Ein besonderes Talent im Spiel mit Worten entwickelte Max Margot Protze, die Sprache in ihrer Arbeit mit unterschiedlichsten Medien bildnerisch umsetzte. Dabei entstanden prägnante (Un)Sinnsprüche wie "Raum hoch - Sinn tief" oder "Wiesengrund grundlos", die trotz ihrer Schärfe doch alles in der Schwebe ließen.