Gruppe Hirschenstraße - auf Künstler schießt man nicht!

Die Moritzboys

In Berlin machten zur gleichen Zeit Rainer Fetting, Salomé, Bernd Zimmer und Helmut Middendorf als "Moritzboys" auf sich aufmerksam. Sie hatten bereits 1977 in einer Fabriketage in Kreuzberg am Moritzplatz eine Selbsthilfegalerie eingerichtet. Thematisches Zentrum ihrer Arbeit war das extreme Lebensgefühl der Großstadt, zwischen Absturz und Aufstieg. Die Großstadterfahrung des Einzelnen spielte darin eine ebenso wichtige Rolle wie die Musik ihrer Zeit. Die Unmittelbarkeit und Emotionalität eines Punk- oder New Wave- Konzertes galt es auf der Leinwand zu reproduzieren. In Kreuzberg spielte das So 36, eine Diskothek in der sich die junge Kunst - und Kulturszene Berlins traf, eine besondere Rolle. Es stand symbolisch für all das, was das Lebensgefühl damals stimulierte. Die künstliche Welt des Underground, die sie kreierten und zugleich aufsogen, verlieh auch ihren Arbeiten etwas Inszeniertes und Bühnenhaftes. Das Synthetische war ihnen längst zur zweiten Natur geworden.


Hirschenstraße achtundzwanzig

Auch in Fürth fand eine Vermischung der Kunst- und Musikszene statt. Was das SO 36 in Berlin war, war das Kitsch in Fürth. Die Kunst der jungen Hirsche entsprang unmittelbar diesem Lebensgefühl und - umfeld. Was an Emotionen und Stimmungen aufkam, wurde im Atelier in die künstlerische Arbeit umgesetzt. Die entstandenen Werke kehrten teilweise ins Kitsch zurück und bestimmten das Ambiente. Die jungen Künstler waren also in unterschiedlicher Weise mit und in der Diskothek beschäftigt. Einerseits um sich finanziell über Wasser zu halten, vor allem aber, weil sie nicht zwischen Kunst und Leben trennten. Vielmehr galt es das Leben mit der künstlerischen Arbeit zu erkunden und zu durchdringen. Aus dieser Einstellung heraus entstand in der Hirschenstraße ein offener Organismus, der sich in verschiedene Bereiche ausdehnte und nach maximalem Handlungsradius strebte. Insofern war die Hirschenstraße ein Gesamtkunstwerk, das beständig im Wandel war und von einem ungebremsten, fast verschwenderischen Aktionismus lebte. Sie bot Freiraum für Spontanität und forderte den "Leichtsinn" der jungen Künstler geradezu heraus.