Die verunglückten Künstlerbiographien sind bei diesem Prozess in der Überzahl. Sie rühren vom zu hohen oder zu niederen Anspruch, von dem Irrtum, man könne Stufen dieses Ich-Prozesses überspringen oder durch PR ersetzen, vor allem seit die Kunst der Selbstdarstellung und Selbst-Portraitierung zum Facebook-Geschehen geworden ist, womit wir sozusagen geradezu im End-Zeitalter des "Ich, mir und selbst" angekommen sind - Ein hervorragender Ausstellungstitel also, Bravo!

II. EGO

Bei der Einladung zu dieser Einführung wurde ich von Christoph Gerling gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, etwas zum Begriff des Ego zu sagen. Ich nehme an, Christoph Gerling meinte, dass er einen Philosophen mit Ausdrücken wie "Ich, mir und selbst" schlecht ködern könne. "Ego", das ist doch einmal eine klare Sache! Zentralbegriff der Europäischen Neuzeit seit Descartes, vorbereitet durch die logischen Disputationen der Scholastik, etwa Abaelards, der darauf hinwies, dass sich jenes EGO schon im Moment des Nachdenkens verdopple, denn "wer bin ich?" ist eine Frage, die zwei Instanzen voraussetzt, ein "Ich" das fragt, und eines, das befragt wird. Die Frage ob dieses, das Ich bedenkende Ego als logische Instanz ein anderes sei als dasjenige Ego, welches das Leben vollzieht, also die Vollzugsinstanz, führt dann rund hundertzwanzig Jahre nach Dürers schon erwähnten Selbstportrait zu einem Satz, der für philosophische Gemüter fast noch schwerer wiegt, als der dreißigjährige Krieg. Es ist der Satz des in Glaubenszweifeln befindlichen ehemaligen Jesuiten Rene Descartes. Seine leider viel zu selten zitierte Langform lautet: Dubito ergo cogito; cogito ergo sum. Also: "Ich zweifle, also denke ich. Ich denke, also bin ich. Verkürzt, ich bin erst dadurch, dass ich zweifle, denn nur der der zweifeln kann, denkt wirklich, jeder andere wiederholt nur, was ihm gesagt wurde.